Sonntag, 14. Februar 2016
Sprache und Karneval
Hi!
So schnell sind also drei Wochen vorbei. Da ist es wieder dieses Gefühl der Ambivalenz: Wie das waren echt schon drei Wochen? Vs. Was habe ich nochmal gemacht, das ist schon wieder so lange her. Gut, dass ich dieses Mal wenigstens grobe Stichwörter gesammelt habe, worüber ich erzählen möchte.
Ich sitze grade im sogenannten Wolkenkratzer von Ljubljana. Der wird liebevoll so genannt, weil er zu seiner Zeit (1933) das höchste Gebäude war und auch in der weiteren Umgebung. Inzwischen ist es natürlich mehr ein Kosename, aber da es ganz oben ein Café gibt und man von hier einen tollen Blick über Ljubljana gibt lohnt sich ein Besuch. Ok zugegeben, ich bin zum ersten Mal hier und kann aufgrund des Wetters noch nicht mal das Castle sehen, aber ich stelle mir den Blick sehr schön vor ;). Noch so ein Ort wo ich unbedingt bei besserem Wetter nochmal hinmuss. Die Liste wird immer länger.

Zunächst einmal zu mir. Es geht mir sehr gut, die Faszination, die Ljubljana, Slowenien und die vielen Möglichkeiten hier auf mich ausüben hat nicht nachgelassen. Aber gleichzeitig fühle ich mich besser angekommen, ich bewege mich sicherer. Habe das Gefühl wieder mehr ich selbst zu sein. Das hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass sich der Umgang mit den anderen Erasmusleuten so langsam entspannt, man schafft es sich tatsächlich zu unterhalten. Anfangs war es etwas seltsam nur Englisch zu sprechen, in einer Gruppe, in der so gut wie niemand Englisch als Muttersprache beherrscht. Die Gespräche bleiben oberflächlich und die Themen dementsprechend auch. Es war ein schöner Moment, als ich mit Betigül festgestellt habe, dass wir es endlich schaffen Witze zu machen und zu lachen, das hatte uns gefehlt. Die Sprachbarriere macht gleichzeitig die Kommunikation einfacher, weil sie komplizierte, Detail verliebte Themen ausschließt, gleichzeitig schließt sie im ersten Moment aber auch aus, dass man sich differenziert und ganz ehrlich äußert. Inzwischen habe ich mich damit abgefunden und auch durchaus lange und sehr interessante Gespräche gehabt. Tatsächlich sind einige daran interessiert, was man über die deutsche Flüchtlingspolitik denkt und so entstehen spannende lange Gespräche, die allerdings auch geprägt sind durch Vereinfachungen und lange Pausen, weil es eben doch nicht so einfach ist das in einer fremden Sprache auszudrücken. Ich merke ja grade schon, dass es mir an Wortgewandheit im Deutschen mangelt um mein Empfinden diesem Thema gegenüber ordentlich auf den Punkt zu bringen. Nun ja, die Lehre, die ich daraus ziehe ist keine neue: Ich muss dringend an meinem Vokabular arbeiten, am besten indem ich lese.

Bleiben ich doch direkt mal beim Thema Sprache, immerhin beziehen sich zwei weitere meiner Stichpunkte auf dieses Thema. Einer ganz konkret: Gestern habe ich meinen Intensivsprachkurs in Slowenisch erfolgreich abgeschlossen. Der bringt mir neben drei Credits, die bei Erasmus gleichzustellen sind mit Gold, nun auch die Fähigkeit mich vorzustellen, meine Familie zu beschreiben, Tee und Pizza zu bestellen und über mein letztes Wochenende zu berichten. Außerdem kann ich nach dem Weg fragen, ob ich die Antwort dann auch verstehe steht auf einem anderen Blatt.

castle von oben

Inzwischen ist die Sonne rausgekommen und ich genieße einen wunderschönen Blick auf die verschneite Innenstadt von Ljubljana.

keine alpen

Nur die Alpen kann man leider nicht sehen.

Der Kurs hat definitv dazu beigetragen, dass ich mich schneller hier eingelebt habe und schon so wohlfühle und spiele ernsthaft mit dem Gedanken noch den weiterführenden Kurs zu belegen um die Sprache weiter zu vertiefen.

Das andere Spracherlebnis war eins, bei dem mir meine bisher erworbenen Fähigkeiten leider nicht viel geholfen haben: Friseurbesuch. Alles was ich in Slowenisch sagen konnte war die Zahl der Zentimeter die ich gerne weg haben wollte und das war es dann auch schon. Die Friseuse war super lieb, hat sich eine ganze Stunde Zeit für meine Haare und mich genommen und einen tollen Job gemacht, wobei wir eigentlich nur mit Lächeln und einem sporadischen „Ok?-Yes, nice!“ kommuniziert haben.
Insgesamt sind die Menschen hier ganz wunderbar (wenn man nicht grade von irgendeiner Behörde etwas will). Es lohnt sich immer, jemanden anzusprechen um eine Empfehlung für ein Restaurant zu bekommen. Bisher hat sich der oder diejenige immer Zeit für mich genommen, und das Essen war auch immer gut.

Die Atmosphäre auf dem Markt habe ich mehr vermisst als ich gedacht hätte. Natürlich ist es nicht dasselbe wie Ghana, aber trotzdem hat es etwas davon. Hier sprechen grade die älteren Leute eher mal ein paar Brocken Deutsch als Englisch lustigerweise. Samstag ist hier der große Markttag, da ist es voll, viele Bauern kommen um ihre Waren anzubieten. Die Atmosphäre ist locker, lustig und fröhlich, das Publikum bunt gemischt und es ist ganz einfach darin unterzutauchen. Das ist noch so ein gravierender Unterschied zu Ghana: Niemand sieht auf den ersten Blick, dass ich fremd bin und dementsprechend werde ich weder so wahrgenommen noch so behandelt. Was ich besonders toll finde ist ein Automat auf dem Markt, in den jeden Morgen ganz frische Kuhmilch gefüllt wird, die man für 10ct pro 100ml abfüllen kann. Die schmeckt sehr gut und weckt Erinnerungen an Urlaube die schon viel zu lang zurück liegen.

marktstand

ein Marktstand an dem Erträge einer Farm aus der Umgabung angeboten werden

milchautomat

der Milchautomat

Etwas, was mich gegen meinen Willen beschäftigt ist die ständige Superlative des Erasmus, wie ich es genannt habe. Es handelt sich dabei um die Darstellung von Erasmuserlebnissen auf diversen Plattformen. Man bekommt den Eindruck etwas ist nur dann wirklich gut, wenn es die beste Gruppe, der beste Ausflug ist und nebenher noch ein paar Rekorde gebrochen werden. Gegen den ersten Impuls der Enttäuschung ankämpfend, dass man nicht Teil dieses großartigen Erlebnisses war stellt man sich die Frage, inwiefern sich das von den eigenen Erfahrungen und Erlebnissen unterscheidet. Das ist ein seltsames Phänomen, dass man alles teilen muss, und zwar nur die unglaublich positiven Dinge bzw diese unglaublich positiv aussehen zu lassen. Ist es nicht anstrengend immer nach „dem Besten“ zu suchen? Oder das was man hat nach dem Besten aussehen zu lassen? Ja, ich schreibe diesen Blog und ich kann mich nicht davon lossagen, dass ich nicht auch etwas teilen möchte und das Bedürfnis habe über meine Erlebnisse hier zu erzählen, aber ich will sie doch nicht non-stop mit denen anderer vergleichen. Vielleicht verstehe ich aber auch die Funktion oder die Beweggründe von diesen Plattformen einfach nicht. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich alles hier nur für mich mache und mich gerne inspirieren lasse aber nicht gerne vergleiche (auch wenn man da kaum drum herum kommt).
Zu guter Letzt werde ich denen, die bis hier durgehalten haben noch davon erzählen, was ich in den letzten zwei Wochen so gemacht habe. Keine Sorge, ich werde mich auf das Wochenende beschränken, unter der Woche ist sowieso nicht viel passiert. Wie auch in Deutschland war hier Karnevalswochenende und am Samstag habe ich mir den Karnevalsumzug in Ljubljana angeschaut, verbunden mit einem Besuch auf dem Markt. Es war wunderschönes Wetter und man hat einen Vorgeschmack erhalten, wie es wohl sein muss, wenn es auch noch warm ist. Ich freu mich drauf!
Am Sonntag haben wir mit 5 Leuten ein Auto gemietet und sind nach Ptuj gefahren, einem 20.000 Seelen Örtchen, in dem es den größten Karnevalsumzug in ganz Slowenien gibt. Es gibt viele Kostüme, die noch eine Bedeutung haben und eng mit dem alten Zweck des Karnevals zusammenhängen, nämlich den Winter zu vertreiben und den Frühling willkommen zu heißen. Am beeindruckendsten waren die Kurenten:

korente

Am Montag haben wir in einer Gruppe von 5 Erasmusleuten den Hügel/Berg Kum bezwungen. Wir wollten nicht so arg hoch und Kum ist mit 1216m für diese Jahreszeit gut zu machen, auf dem Gipfel gab es nur ein paar Schneereste. Die Wanderung und die Einkehr auf der Hütte am Gipfel waren sehr lustig und gesellig auch wenn das Wetter nicht wirklich mitgespielt hat.

Ich denke das ist es erstmal wieder. Ich hoffe ich üerfordere niemanden mit dieser Masse an Text, ich denke wenn ich erstmal wirklich angekommen bin wird sich das regulieren. Bei Fragen meldet euch einfach bei mir!

Alles Liebe
Paula

PS: Ich bin mit diesem Blog noch nicht zufrieden und werde wohl nochmal umziehen. Allerdings habe ich dafür erst nächstes Wochenende Zeit, bis dahin muss das hier genügen.

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