Samstag, 4. Juni 2016
Spring Break und Wintereinbruch
Hi!

Da dieser Eintrag so einige Wochen abdecken muss fange ich lieber schon mal an zu schreiben, nicht dass ich sonst die Hälfte vergesse. Allerdings will ich erstmal gar nicht chronologisch vorgehen sondern mit dem Ort beginnen wo ich gerade bin und dem Thema, das auf seltsame Weise damit verbunden ist und das mich jetzt seit geraumer Zeit verfolgt und zum Nachdenken anregt.

Ich liege auf einem Schlafsofa in Neu-Zagreb in einer Wohnung in einem dieser Wohnhäuser die zumindest ich immer mit Sozialismus/Kommunismus verbunden habe. Die Wohnung ist die meiste Zeit des Jahres unbewohnt und riecht ein bisschen so wie Ferienhäuser oft riechen. Sie gehört der Tante von Kristina und ich darf netterweise während meines Städtetrips nach Zagreb hier wohnen.
Ich bin heute Mittag angekommen und wir sind durch die Stadt gelaufen. Näheres dazu später noch in diesem Eintrag, jetzt will ich erstmal auf eine Aktion/Ausstellung eingehen, die in einem der Parks im Zentrum stattgefunden hat. Zuerst sah die Szenerie etwas verloren und traurig aus, denn sie bestand einfach nur aus Schuhpaaren, die kreuz und quer auf dem Weg standen. Bei einigen dieser Schuhe waren Zettel dabei, auf denen die Geschichte ihrer ehemaligen symbolischen Besitzer aufgeschrieben war. Kristina hat mir alle übersetzt und eines hatten alle diese Geschichten gemeinsam: Ihre Protagonisten haben keine Zukunft gesehen in ihrem Land und sind ausgewandert. Vor allem die jungen und gebildeten Leute sind frustriert, weil ihnen nicht die Anerkennung entgegengebracht wird, die ihnen eigentlich gebührt. Weder in Form einer anständigen Bezahlung noch in gesellschaftlicher Hinsicht. Und so verliert ein Land die Menschen, die es am aller dringendsten benötigt, nämlich diese die engagiert, intelligent und reflektiert sind. Ich habe mich da viel mit Kristina drüber unterhalten und noch einige andere Erasmus-Kommilitonen kennen gelernt, die sich in einer ähnlichen Situation sehen. Es ist absolut nicht so, dass sie sich mit ihrem Land, ihrer Herkunft nicht identifizieren können oder nicht stolz darauf wären. Aber die Perspektive fehlt. Viele denken darüber nach dauerhaft ins Ausland zu gehen. Einige nach Deutschland. Es ist das erste Mal, dass mir wirklich bewusst wird, dass das für mich noch nie eine ernsthafte Alternative dargestellt hat. Auch in Zukunft mal für längere Zeit im Ausland arbeiten – ja klar, spricht nichts gegen. Aber eher in GB oder im europäischen Norden oder aber mit einer deutschen Institution als Arbeitgeber. Natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden, was in Deutschland passiert, aber um meine Zukunft muss ich mir immerhin keine größeren Gedanken machen. Dass das nicht für jeden in meinem Alter zutrifft war mir zwar immer bewusst, ist mir aber noch nie so unmittelbar vor Augen geführt worden.

Das ist einfach Thema, das mich in jüngster Zeit viel beschäftigt hat und das ich gerne teilen wollte, immerhin gehört das doch auch zu meinem Erasmusaufenthalt.
Jetzt gehe ich über zu einem mehr chronologisch geordneten Ablauf der vergangenen Wochen. Ach übrigens Szeneriewechsel: Ich fahre gerade mit dem Bus zurück nach Ljubljana. Kristina hat gelacht als ich gesagt habe ich fahre nach Hause.

Mein letzter Eintrag endet an einem Dienstag, bis Freitag ist nicht viel passiert. Ich glaube am Mittwoch waren Kristina und ich bei einem kleinen Konzert, aber das gehört inzwischen fast schon zum Alltag. Freitagabend sind dann Ulle und Frank mit etwas Verspätung in Ljubljana angekommen und die Stadt hat sich von ihrer besten Seite präsentiert. Wir hatten die ganze Zeit über sehr schönes Wetter und konnten uns ganz in Ruhe alles anschauen. Das Zentrum ist wirklich nicht groß und man ist sehr schnell alles einmal abgelaufen, also bietet sich ein sehr entschleunigter Städtetrip an. Am Sonntag haben wir außerdem noch einen Ausflug nach Škofja Loka gemacht. Nett, klein, verschlafen aber nicht unbedingt sehr besonders. Wir hatten aber einen schönen kleinen Ausflug. Am Montag haben wir uns dann die größte Touristenattraktion in Slowenien angeschaut: Postojna Jama (Höhle). Ein riesiges Höhlensystem von 24km im Karstgebiet von Slowenien. Man fährt erst etwa 10 Minuten mit einer Bahn in die Höhlen rein. Bei der Fahrt ist es zu empfehlen den Kopf einzuziehen, wenn man mit etwa 20km/h in 5cm Entfernung an Tropfsteinen vorbeirast. Die Höhlen sind unglaublich beeindruckend und schwer zu beschreiben oder mit Fotos einzufangen. Während der etwa 1,5km die man zu Fuß im Höhlensystem zurücklegt hat man viel Zeit um sich die Schönheiten dieser unterirdischen Welt anzuschauen. Besonders toll fand ich die sogenannten Vorhänge. Ich hätte nie gedacht, dass die Natur aus diesem Material so elegante Formen schaffen kann. Außerdem lebt in dieser Höhle auch der Proteus oder Human Fish, ein Übergangswesen irgendwo zwischen Wasser und Land.
Nach den Höhlen haben wir uns noch die nahegelegene Burg angeschaut, die ein wenig an Helms Klamm erinnert. Sie schmiegt sich an den Fels und nutzt eine Höhle nach hinten raus. Eine sehr informative und kurzweilige Audioguide-Tour bot interessante Fakten und nette Geschichten über die früheren Eigentümer der Burg.
Die nächsten Tage waren wieder ein wenig alltäglicher. Freitag hatte ich eine Präsentation in der Uni zusammen mit einer Kommilitonin. Die Vorgabe war einen bekannten und wichtigen Komponisten unseres Landes vorzustellen. Die Wahl war nicht schwer, wir haben uns für Bach entschieden. Insgesamt haben wir aber eine sehr dankbare und einfache Rolle in diesem Kurs vor allem bei Literatur und Musik. Sowohl die Gebrüder Grimm als auch Bach haben unsere Dozenten in Entzücken versetzt (obwohl es nun wirklich die offensichtlichsten waren). Wir konnten eigentlich nichts falsch machen. Abends waren die lieben Eltern nochmal in der Stadt und wir haben zusammen zu Abend gegessen. Außerdem musste ich packen, denn am nächsten Tag bin ich relativ zeitig aufgebrochen- nach Venedig.

Es war von Anfang an mein Plan diese Stadt abzuhaken, wo ich ihr doch schon so nahe bin. Ich habe mir relativ viel Zeit genommen und bin alleine hingefahren. Ich wollte mich nach niemandem richten, mein eigenes Tempo entwickeln und wenig Kompromisse eingehen bei dieser Stadt, über die man immer und immer wieder stolpert und die als so unglaublich schön beschrieben wird.
(Szeneriewechsel: Zug nach Budapest)
Sie ist wunderschön. Eindrücke zu beschreiben ist immer schwierig und viele Fotos habe ich auch gar nicht gemacht, weil ich nicht so genau wusste wovon. Markusplatz, Brücken, Meer? Ich muss zugeben, ich habe einen guten Tag gebraucht um mich ein wenig aus meiner Erstarrung zu lösen und anzufangen zu genießen. Das Highlight davon war wohl ein typisch venezianisches kleines Abendessen mit Spritz an einem Kanal umgeben von Venezianern zur Abwechslung anstatt von Massen von Touristen. Ich bin selber Touristin, das weiß ich aber ab würde ich mich gerne nicht dazu zählen müssen.
Also bevor ich mich hier völlig in meinen eigenen Ausführungen verhedder???? Meine Meinung zu Venedig (wer schon da war kann das überspringen) Schnappt euch jemanden der ähnlich funktioniert wie ihr selber und mit dem ihr euch auf einen Rhythmus einigen könnt, mit dem ihr aber vor allem eure Eindrücke teilen könnt und macht euch eine schöne Zeit in dieser Stadt. Die Zeit kann ich durchaus empfehlen, man kann sich noch einigermaßen frei in den Gassen bewegen, sogar in S Marco und ein wenig Regen hat noch niemandem geschadet. Ich selber komme ganz bestimmt nochmal wieder, vielleicht wenn ich irgendwann wieder einen Freund habe, denn eins kann man Venedig nicht absprechen: es ist sehr romantisch. Der Vorteil des alleine reisen: Ich bin nicht einmal angesprochen worden ob ich Rosen kaufen oder eine Gondelfahrt machen wolle. Natürlich gibt es viel zu sehen und das meiste lohnt sich wohl auch, aber gehetzt von einer Kirche zur nächsten zu rennen wird Venedig nicht gerecht. Lieber Zeit nehmen, gemütlich überall hin laufen, sich verlaufen vor allem außerhalb von S Marco. Auf Murano war ich auch und habe viel zu viel Geld dagelassen, aber dem schönen Glas konnte ich einfach nicht widerstehen.

Zurück in Ljubljana hatte ich einen Tag Zeit, an dem ich eigentlich so einiges erledigen wollte, am Ende aber doch nur das Pflichtprogramm absolviert habe und zur Kür mir einen Lauf, den Kletterkurs und eine lange Skypesession mit Serena gegönnt habe. Während dieses Gesprächs musste ich plötzlich feststellen, dass es angefangen hatte zu schneien. Und wie! Über mehrere Stunden hat uns der Wintereinbruch sehr viele sehr dicke Schneeflocken beschert. Mindestens 15cm sehr nasser und schwerer Neuschnee sind vielen Bäumen zum Verhängnis geworden und es sind reihenweise Äste abgebrochen.

Am nächsten Tag bin ich zu einer humanen Uhrzeit nach Zagreb gefahren. Wie schön, dass das so nah ist! Vor allem wenn ich das mit meiner 8,5 stündigen Zugfahrt nach Budapest gerade vergleiche. Wie bereits zu Anfang erwähnt hat mich in Zagreb Kristina empfangen und einen super Tourguide abgegeben. Sie weiß viel über die Stadt, die Gebäude und Statuen. Die Stadt ist nicht so lieblich wie Ljubljana, hat mir aber trotzdem gefallen. Ich habe Kristinas Freunde bei einem Bierchen kennen gelernt, war im Museum of Broken Relationships, im Botanischen Garten und habe insgesamt das Gefühl viel von Zagreb gesehen zu haben. Einen Tag sind wir in den Plitvice Nationalpark gefahren, der sehr schön ist und mir verdeutlicht hat, dass meine bisherige Vorstellung von Kroatiens Natur von einem Urlaub auf einer kleinen Insel vor Jahren geprägt ist. Ich dachte immer Kroatien ginge schon in die Regionen die von Felsen und Sträuchern und wenig Bäumen dominiert werden, jetzt musste ich mich eines Besseren belehren lassen. Ein Großteil ist sehr grün und bedeckt von riesigen Laubwäldern und Seen. Im Plitvice kann man eine Seentreppe mit vielen Wasserfällen entlangwandern und bestaunen.

Rückweg von Budapest nach Ljubljana. Ein Viertel habe ich schon hinter mir, sechs Stunden Zugfahrt liegen noch vor mir. Ungarn ist landschaftlich leider nicht besonders abwechslungsreich, was diese Fahrt nicht gerade spannender macht. Lisa ist schon wieder in Deutschland gelandet und mit Sicherheit bald in Deutschland während ich in einer S-Bahn diese internationale Strecke hinter mich bringe. Nun gut. Hinter mir liegen drei sehr sehr schöne Tage Budapest, also will ich mich mal nicht beschweren. Da es etwas schwierig war eine gute Verbindung nach Ljubljana zu finden und ich sowieso ja nochmal zurück nach Budapest wollte haben Lisa und ich uns kurzerhand dort getroffen. Mit den besten Voraussetzungen: schönes Wetter und ein liebevoll eingerichtetes und zentrales Airbnb mit Backofen (ist für mich zur Zeit etwas Besonderes) hatten wir drei volle Tage um uns die Stadt anzuschauen. Und das haben wir auch ausgiebig getan. Von seinem Zauber hat Budapest für mich nichts eingebüßt, es hat mir wieder sehr gut gefallen. Besonders schön ist der Park auf der Insel in der Donau sowie das jüdische Viertel aber auch sonst lohnt es sich alles abzulaufen und auf sich wirken zu lassen.

Dieser Eintrag ist schon viel zu lang geworden, deswegen mache ich an dieser Stelle mal einen Cut, es folgen wie gewohnt noch ein paar Bilderchen. Wer mehr Geschichten hören will oder Bilder sehen will oder beides kann sich gerne bei mir melden, in acht Wochen bin ich schon wieder zurück in Deutschland. Die nächsten Wochen werden auch in der Uni etwas arbeitsintensiver und nach meiner letzten Klausur habe ich hier nur noch drei Wochen, das geht jetzt sehr schnell.

Alles Liebe
Paula

Sorry, dass es noch keine Bilder gibt, die kommen nach diesem Wochenende dazu, versprochen!

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